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Artischocken für Apicius


Nun also Apicius. Anfang August hatte Petra Hammerstein von dermutanderer.de dazu in ihrem Blog-Event aufgerufen und ich bin ihrem Ruf gefolgt. Dies bedeutete für mich zuerst einmal das Studium des von Petra ausgesuchten Kochbuches des Römers nebst weiterführender Quellen im Internet. Zu Recht stellt sie die Frage, ob sich das Kochbuch „De re coquinaria“ – „Über die Kochkunst“ von Marcus Gavius Apicius heute überhaupt noch zum Kochen eignet. Ja, tut es! Hat man das Kochbuch weder in der Ausgabe einer karolingischen Handschrift aus dem 9. Jahrhundert noch die Fassung aus dem Vatikan in der eigenen Bibliothek parat, eignet sich zur Wahl der geeigneten Rezeptidee für den Event die mittlerweile zwar stillgelegte, aber immer noch umfassend informative Seite des Imperium Romanum zur Suche. Für Nichtlateiner ist es dazu sehr praktisch, die deutsche Übersetzung der "Rezepte" gleich mitgeliefert zu bekommen. Die Kapitel sind übersichtlich sortiert, auch wenn man sicher nicht alles, was man sucht, sofort finden würde.

 

Beim Blättern durchstöbere ich somit verschiedene Kategorien und lande in Buch III - Der Gärtner. Denn was ist derzeit schöner, als sich mit der Fülle an frischem Gemüse & Kräutern in der Küche zu umgeben? Schon sticht mir die Artischocke in das Auge und die Wahl ist gefallen, sollte doch sowieso in diesem Sommer noch ein Artischocken-Rezept gekocht werden. Apicius liefert dazu generell, wie auch von Petra Hammerstein im Auftakt zum Blog-Event vermerkt, eher Anregungen als Anweisungen. Das kommt mir gut zupass, gehe ich doch auch davon aus, dass Koch & Köchin ab einer gewissen Erfahrungszeit in der Küche die eigene Kreativität und den Mut zum Variieren mitbringen. Es gibt also auch hier für Dich sicher vieles, aber nicht alles erklärt. 



Apicius schreibt zu seiner Artischocken-Variante wie folgt: "Aliter carduos: rutam, mentam, coriandrum, feniculum, omnia viridia teres. Addes piper, ligusticum, mel, liquamen et oleum." In der Übersetzung liest sich das dann so: "Artischocken anders: Raute, Minze, Koriander und Fenchel, zerstosse alles frisch. Gib Pfeffer, Liebstöckel, Honig, Liquamen und Öl dazu.".

 

Schon bin ich an unsere klassische Estragon-Vinaigrette erinnert, die es bei uns zu Artischocken als Vorspeise zum Dippen der Blätter gibt, was in der Runde mit Gästen immer ein geselliger Auftakt wird. Diese Estragon-Vinaigrette folgt hier auch für Dich im Original und wird zudem die Basis für meinen Apicius-Vinaigrette-Versuch. Dem Tipp zum Nachkochen auf der römischen Seite folge ich nicht. Dort sollen die Apicius-Zutaten als Gemenge für den Sud zum Kochen der Artischocken verwendet werden.

 

Aber was ist mit den Zutaten, welches sind diese überhaupt? Hier folgt wieder zuerst die Recherche und danach der Selbstversuch. Minze, Koriander & Fenchel, Pfeffer, Liebstöckel, Honig und Öl scheinen klar. Für die Vinaigrette ergänze ich dazu wie im eigenen Rezept noch Essig und auch Knoblauch scheint mir passend. Die anderen Zutaten sind fast schon gleich, der Estragon wird also durch die von Apicius empfohlene Kräutermischung ersetzt. Fehlen noch Raute und Liquamen. Nie gehört. Du? 

 

Die Reise im Netz setzt sich fort. Was Liquamen ist, kann schnell geklärt werden, Petra hat bereits darauf hingewiesen. Auch als Garum taucht es auf. Heute würde man es als asiatische Fischsoße bezeichnen. Aber Fischsoße für die Vinaigrette? Würde ich eine thailändische Artischocke zubereiten, würde es bestimmt gut zur Mischung aus Minze und Koriander passen. Probier es gerne aus, ich habe an dieser Stelle beschlossen (meiner kreativen Freiheit folgend), es heute wegzulassen. Als letztes also noch das Kraut Raute. Als sogenannte Weinraute finde und ordere ich es pflichtbewusst, um es für Dich und den Event zu testen, beim wunderbaren Rühlemanns Kräuter- und Duftpfanzenversand (keine Werbung, reine Überzeugung).

 

Aber kommt es zu diesem Test? Die Pflanze erreicht mich per Post, ist wunderhübsch und von hervorragendem Wuchs. Das weitere Studium hat zur Weinraute aber auch ein paar höchst interessante Wirkungen und Hinweise ergeben. Allerorten lese ich "sparsam verwenden", "medizinisch ist die gefäßerweiternde Wirkung interessant", "wirkt abtreibend, Schwangere sollten verzichten" und ähnliches. Ist der Test also schneller beendet als begonnen? Handelt es sich hier (wie bei manchem Kraut in höheren Dosen) sogar um etwas ungesundes? Oder wurde schon von Apicius ein Superfood entdeckt?



Zutaten als Vorspeise für 4 Freunde


4 Artischocken (die Großen, siehe Foto)
Saft einer Zitrone
reichlich kochendes Wasser mit 2 TL Salz

für die klassische Estragon-Vinaigrette
1 Bund Estragon, ohne Stiele fein gehackt
1 Knoblauchzehe, fein gehackt
1 EL körniger Senf
1 EL Akazienhonig
7 EL milderen Weißweinessig
3 EL bestes Olivenöl
Pfeffer, frisch aus der Mühle

Vinaigrette für das Apicius-Experiment
1/2 Bund Minze, fein gehackt
1/2 Bund Koriandergrün, fein gehackt
1 EL Fenchelgrün, fein gehackt
1 TL Liebstöckelgrün, fein gehackt
1 Knoblauchzehe, fein gehackt
1 EL körniger Senf
1 EL Akazienhonig
7 EL milderen Weißweinessig
3 EL bestes Olivenöl
Pfeffer, frisch aus der Mühle


Die Vinaigrette Deiner Wahl oder beide kannst Du gut vorbereiten und kalt stellen. Die Kräutersorten wie beschrieben dazu fein hacken, den Knoblauch auch. Dann alles mit den anderen Zutaten gut verrühren und mit Pfeffer abschmecken. Und nein, ich habe die Weinraute nicht mit in das Rezept aufgenommen. Entscheide Du also bitte selbst, wie experiementierfreudig Du sein willst.

Die Artischocken werden für ca. 30 Minuten in Salzwasser gekocht, in das Du den Saft einer Zitrone gegeben hast. Dadurch wird vermieden, dass die Artischocken braun werden. Bevor die Artischocken in das kochende Wasser kommen, brichst Du den Stielansatz kräftig heraus und schneidest von den Blättern der geschlossenen Blüte das obere Viertel ab. Ja, die Artischocke, die Du gekauft hast, ist der geschlossene Blütenstand der Pflanze. Daher solltest Du beim Kauf darauf achten, dass die Blätter schön eng aneinander liegen und sich alles sehr fest anfühlt. Je mehr sogenannte Röhrenblüten sich schon im Inneren der Knospe gebildet haben, desto holziger wird es beim Essen.

Sind die Artischocken gar, gibst Du je eine auf einen Teller und servierst sie mit einem Vinaigrette-Schälchen pro Person. Zum Essen nimmt jeder Gast die einzelnen Blütenblätter von außen nach innen (bis auf die ersten 1-2 Reihen, die entfernt werden), reißt diese aus dem Boden, tunkt sie in die Vinaigrette und "zuzelt" den weichen Teil des Blattfleisches im Mund vom harten Rest mit den Zähnen ab. Am Ende bleibt auf jedem Teller so der Boden mit den Ansätzen der Röhrenblüten, die nun ebenfalls entfernt werden. Das Beste kommt also zum Schluss - der Artischockenboden, zusammen mit der Vinaigrette beträufelt gegessen, ein Genuss. Uns haben beide Vinaigretten sehr gut geschmeckt. Das Apicius-Experiment kann also hiermit als erfolgreich durchgeführt bezeichnet werden. Lass es Dir auch schmecken. Apicius grüßt. Sei glücklich!

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